Gott hat eine Schwäche für uns Menschen

Gott hat eine Schwäche für uns Menschen

Weihnachtspredigt – gehalten von P. Dominik Daschner OPraem

Auch wenn wir es nicht so gerne zugeben und manchmal lieber den starken Maxe, die toughe Marie mimen, wir Menschen sind letztlich doch schwache Wesen.


Echte Schwächen und solche, die „wir halt haben“


Es gibt so manche Schwä­chen, die wir mit uns herum­tragen. Ob das die Sehschwäche ist, die wir durch eine Brille ausgleichen. Bei manchen Schülern wird eine Lese- und Rechtschreibschwäche diagnosti­ziert. Im Alter plagen sich Men­schen vielleicht mit einer Herzschwäche herum.

Und dazu leisten wir uns noch ganz unnötige Schwächen. Redensartlich sagen wir dann: „Da­für habe ich halt eine Schwäche.“ Für die Süßigkeiten zum Beispiel, auf die jemand nicht ver­zichten mag und sie trotzdem isst, obwohl er Diabetes hat und der Arzt sie ihm eigentlich verboten hat. Für eine bestimmte Fernsehsendung, die jemand nicht verpassen möchte, zu deren Sendezeit man auf gar keinen Fall bei ihm anrufen und ihn stören darf. Dafür habe ich eben eine Schwäche! Und noch tiefer und hintergründiger wird es, wenn wir für einen be­stimmten Menschen eine Schwäche empfinden. Wenn jemand sagt: „Für den oder die habe ich eine Schwäche“ – das gleicht einer versteckten Liebeserklärung.


Ein Gott, der eine Schwäche für uns Menschen hat


Wenn wir von Gott sprechen, dann weisen wir ihm meistens Attribute zu wie: erhaben, ma­jestä­tisch, ewig, allmächtig, stark. Die Bibel schildert ihn aber zugleich als liebevollen Vater und zärtlich fürsorgliche Mutter, als großen Liebenden also. Und Liebe heißt doch: eine Schwäche für jemanden haben. Ist Gott also gar nicht immer nur der Starke und Mächtige? Leistet er sich vielmehr auch eine Schwäche? Eine Schwäche für uns Menschen?

Das ist es, was unseren jüdisch-christlichen Glauben ausmacht, was ihn von anderen Religio­nen unterscheidet. Gott ist uns Menschen liebevoll zugetan, jeder und jedem Einzelnen von uns. Und da kann es sein, dass Gott – wie jeder Liebende – sich selbst vergisst und ganz bei seinen ge­liebten Menschen sein will.


Weihnachten. Gott wird als schwacher Mensch unter uns geboren


Genau das ist es, was wir in dieser Heiligen Nacht (an Weihnachten) feiern. Gott wird selbst ein schwacher Mensch. Mitten unter uns wird er geboren, will unser Menschsein mit uns tei­len, mit allem, was dazugehört. Gott will uns nicht überwältigen mit seiner Macht und Herr­lichkeit. Er legt sozusagen all seine Erhabenheit, seine Größe, Macht und Stärke ab und liefert sich be­din­gungslos den Menschen aus. Weil er eine Schwäche für uns hat. Das Kind in der Krippe, das ist Gottes menschgewordene Liebe. Mit seiner Menschwerdung hat uns Gott ein für alle­mal zugesichert, dass er ein Herz für uns hat und dass seine Arme für uns weit offen stehen.

Die Jesuskinder in unseren Krippen bilden das wunderbar anschaulich ab. Fast immer stre­cken sie uns ihre offenen Ärmchen entgegen und lächeln uns an. Da ist zu sehen: An Weih­nachten, mit seiner Menschwerdung streckt sich Gott in Liebe nach seiner Schöpfung aus.


Aber die Welt hat keinen Platz für ihn


Und wie reagiert die Welt darauf? Sie hat keinen Platz für ihn. Weil in der Herberge kein Platz für sie war, bringt Maria ihr Kind in einem Stall zur Welt. Draußen vor den Toren Bet­lehems, bei den Tieren, in einer Notunterkunft kommt Jesus zur Welt. So erzählt es der Evan­gelist Lukas. Bald darauf trachtet man dem göttlichen Kind nach dem Leben, und seine Fami­lie muss nach Ägypten fliehen. Und im Johannesevangelium heißt es als Resümee der Menschwerdung Gottes: „Er war in der Welt …, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nah­men ihn nicht auf.“ Ernüchternd!


Ist Gottes Liebe zu uns Menschen auf keine Gegenliebe gestoßen?


Liebe ist eben immer ein Wagnis, weil wir darin Schwäche zeigen. Da geht es Gott nicht an­ders. Er hat diese Liebe dennoch gewagt. Wenn das, was wir im Evangelium hören, die Re­aktion der Welt ist auf dieses göttliche Wagnis der Liebe, das er eingeht – kein Platz für ihn, nicht aufgenommen -, ist Gott dann mit seiner Menschwerdung nicht grandios gescheitert? Hat er die Menschen falsch eingeschätzt? Waren sie nicht bereit für diese Liebe; darauf auch selbst mit Liebe zu antworten? Ist Gottes Liebe zu uns Menschen - die Schwäche, die er für uns hat - auf keine Gegenliebe gestoßen? Haben die Menschen stattdessen versucht, diese Schwäche aus­zunutzen?

Man ist versucht, mit Ja zu antworten. Aber, dass Sie, liebe Schwestern und Brüder, heute Abend/Morgen hier sind, das macht deutlich, dass diese Antwort so nicht stimmt. Sie alle zeigen damit, dass dieses schwache, göttliche Kind in der Krippe Ihnen etwas bedeutet, dass es Sie anspricht und im Herzen berührt. Und das nicht nur hier in Mitterfels oder Haselbach.


Es gibt aber auch vielfältige Resonanz


Auf der ganzen Welt machen sich in d(ies)er Heiligen Nacht und am Weihnachtstag Menschen auf den Weg, um vor diesem Kind die Knie zu beugen und ihm zu huldigen, um im Kind in der Krippe dem unendlich großen Gott zu begegnen. Und sie lassen sich von Jesus zu Mitmenschlichkeit und Liebe motivieren – Liebe zu Gott und ihren Mitmenschen. Es ist bezeichnend, wie viel Gutes gerade rund um Weihnachten geschieht: an Humanität, an Spendenbereitschaft, an ge­lebter Solidarität und Hilfsbereitschaft. Auch wenn wir das Niveau des humanitären Ausnah­me­zustands dieser weihnachtlichen Wochen nicht dauerhaft aufrechterhalten mögen, völlig ab­reißen tut solch praktizierte Nächstenliebe das ganze Jahr über bei uns nicht. Die Schwäche, die Gott für uns Menschen hat, das Wagnis der Liebe, das er in seiner Menschwerdung ein­geht, das fin­det eben doch Resonanz. Sicher: Da ginge noch mehr. Eine Welt in Liebe, Soli­darität und gegenseitiger Achtung, wie Gott sie gewollt hat, die noch nicht am Ziel. Da ist noch ein weiter Weg hin. Da ist noch Luft nach oben. Aber es bewegt sich etwas.

Die einfachen Hirten auf den Feldern von Betlehem waren die ersten, die in Bewegung ge­raten sind. Später machen sich mit den Weisen aus dem Morgenland auch die Klugen und Mächtigen auf den Weg zur Krippe. Die Engel singen entzückt frohe Lieder und dabei öffnet sich der Himmel schon ein wenig. Alles wegen eines neugeborenen Kindes. Weil in ihm Gottes Liebe Mensch geworden ist. Weil im Kind in der Krippe offenbar wird, wie sehr Gott eine Schwäche für uns Menschen hat.

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