Flachs war früher eine Lebensgrundlage im Bayerischen Wald

Im Bayerischen Wald war der Flachsanbau im 18. und 19. Jahrhundert sehr verbreitet. Diese genügsame Pflanze gedieh in dieser niederschlagsreichen und kühlen Gegend gut und war eine echte Alternative zum Getreideanbau. Der Flachs lieferte die Grundlage für die Weberei, die in dieser Gegend ein lebenswichtiger Zuerwerb war. Bis aber aus dem Leinsamen eine spinnfähige Flachsfaser und aus ihr Leinen wurde, waren viele Arbeitsschritte und sehr viel Handarbeit nötig. Die Arbeit war nicht schwer. Klara Hackelsberger-Rötzer schreibt: „Die Flachsarbeit war eine der schönsten landwirtschaftlichen Arbeiten. Ihr galt die Fürsorge der Hausfrau. Die Männer bauten höchstens den Leinsamen an.“


Die Aussaat der Flachskörner (= Leinsamen): Manchmal schon im April, oft aber erst nach den Eisheiligen, also ab Mitte Mai, wurde der Leinsamen mit der Hand eng gesät, damit er möglichst ohne Verzweigungen wuchs. Anschließend wurde er mit dem Holzrechen eingeharkt. Waren die Pflanzen 15 bis 30 cm hoch, musste „gegrast“ werden, das heißt, das Unkraut wurde mit der Hand von den Frauen und oft auch von den Kindern ausgezogen. Die blaublühenden Flachsfelder bestimmten in den Sommermonaten das Landschaftsbild. Wenn die Flachspflanzen einen Meter hoch, die erbsengroßen Samenkapseln nach unten hingen und gelb waren, konnte die Flachsernte beginnen.


Die Flachsernte: Flachs wurde nicht mit der Sichel oder Sense geschnitten, sondern mit der Hand samt der Wurzel ausgerissen, er wurde „gerauft“. Das Stroh wurde zunächst auf den Boden abgelegt, dann zu Garben gebunden und zu „Mandln“ aufgestellt. Nach diesem Trocknungsprozess begann der nächste Schritt.


Das Riffeln: An Regentagen oder immer am Abend nach der Stallarbeit bot sich die Gelegenheit, den Flachs zu „riffeln“, d.h. von den Samenkapseln, den „Hoarboln“ , zu befreien. Dazu verwendete man den eisernen Riffelkamm. Meistens hat man mehrere solcher Kämme auf einen quer über die Tenne angebrachten Balken (Riffelbaum) befestigt. Durch diese Kämme zog man büschelweise die Flachsstängel. Knechte und Mägde der Nachbarn halfen sich dabei gegenseitig aus, so dass es dabei oft recht lustig zuging. Die abgestreiften Samenkapseln hob man für den Winter auf, denn dann war Zeit zum Dreschen mit dem Dreschflegel. Durch Sieben und Säubern in der Windmühle konnten die Körner von den leichteren Kapseln getrennt werden. Die Körner, der Leinsamen, bildete das Saatgut für das nächste Jahr oder sie dienten als Viehfutter oder als Hausmittel bei Magendarmerkrankungen bei Mensch und Tier.


Gären und Rösten: Nach dem Riffeln wurden die Flachsfasern eingeweicht oder auf eine feuchte Wiese zum „Rösten“ gebreitet. „Nicht ohne dass die große Dirn mit dem letzten Büschel drei Kreuze auf den Boden gemacht hätte, damit die Hexe den Flachs nicht mitnehmen kann“. Hier muss er einige Wochen „reyzn“. In einem durch die Feuchtigkeit hervorgerufenen Gärungsprozess lösen Bakterien und Pilze die Flachsfasern von der Rinde. Wo heute noch Flachs in der weiten Welt angebaut wird, ist die Tauröste auf den Wiesen oder Feldern die gängige Röstmethode. Dieses Verfahren ist umweltfreundlich und ausgewaschene Nährstoffe gelangen wieder in den Boden zurück.


Dörren: Im Herbst, wenn die meiste Feldarbeit beendet war, wurde der Flachs in kleine Bündel gebunden und heimgebracht , um im heißen Backofen nach dem Brotbacken getrocknet oder „gedörrt“ zu werden. Wo es in Dörfern ein Gemeinschaftsbrechhaus gab, hat man die Flachsbüschel dort aufgestellt und 2 Tage lang gedörrt. Beheizt mussten die hölzernen Brechhäuser von außen werden. Wegen der Brandgefahr standen sie am Ortsrand. In alten Berichten kann man lesen, dass es hier selten langweilig war, wenn zum Dörren des Flachses Tag und Nacht geheizt werden musste. So manche Liebschaft hat hier ihren Anfang gefunden.


Bluien und Brechen: Inzwischen geht es schon Allerheiligen zu. Nach dem Dörren kam der Flachs zum Brechen, ein sehr staubiger Arbeitsgang. Zunächst haben Männer den noch heißen Flachs „gebluit“ (von bleuen = schlagen). Dazu haben sie den Flachs mit einem Holzschlegel auf einem buchernen Holzstock so geklopft, dass die holzigen Stängel zerbrachen. Anschließend haben Frauen die Fasern mit der „Breche“ büschelweise noch sauber geknickt und dazwischen immer geschüttelt, damit die gebrochenen verholzten Teile abfallen konnten. War auf einem Hof fertig gebrecht, gab es Braten mit Knödeln und anschließend Küchl und Stritzl. Die jungen Leute haben gesungen und getanzt bis Mitternacht.

 

Schwingen: Mit dem Schwingen hat man die letzten noch verbliebenen Holzteile entfernt. Von der Oberkannte eines aufrecht stehenden Brettes oder einer Stuhllehne ließ man den Flachs herunterhängen. Mit einer Hand hielt man ihn fest, mit der anderen streifte man mit einem Holzschwert („Schwingscheit“) nach unten. Das letzte Stängelzeug fiel jetzt ab und übrig blieb die geschmeidige Faser („Schwingflachs“). Sie ist noch ungeordnet und zum Spinnen noch nicht geeignet.

 

Hecheln: Mit dem letzten Schritt vor dem Spinnen wurden die noch unterschiedlichen Fasern gekämmt, d.h. „gehechelt“, bei uns im Wald sagte man „ghachöt“. Dabei wird der Flachs büschelweise mehrmals über ein Brett („Hechel“). gezogen, das bürstenartig mit starken Nägeln besetzt war. Bei dieser Arbeit hat man kürzere und gröbere Fasern ausgesondert (Werg) und später zu einem groben Garn versponnen. Daraus konnte man dann Säcke, Arbeitsschürzen oder Stricke machen. Der bis zu 90 cm lange Reinflachs war das endgültige Produkt, das so viele Arbeitsgänge erforderte. Die „Rasteln“, eine Art Zöpfe, hat die Bäuerin in einer Truhe aufbewahrt. Eine so gefüllte Truhe war der Stolz einer jungen Bäuerin, die sie als Aussteuer auf den neuen Hof mitbrachte. Flachs war aber auch Dienstbotenlohn an Lichtmess und Flachs wurde natürlich auch verkauft, er war neben dem Viehhandel ein Haupterwerb der Waldler. Nach dem Ausdreschen um Heiligdreikönig kamen dann die Spinnräder in die Stube.



Quellen: Marie-Luise Grotz: Museum Viechtach (1999); O.Kerscher: Der alte Bauernhof von einst (2003), Verlag Attenkofer; Klara Hackelsperger-Rötzer: Waldheimat (1979), Verlag Morsak.



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