Der Böhmerwald, wo er am einsamsten ist

 

Bayerischer Wald - Böhmerwald : Mensch und Geschichte

Der Böhmerwald, wo er am einsamsten ist - Die Rachelhütte (Roklanská chata)

Zwischen Pürstling  und dem Rachel, unweit der Landesgrenze zu Bayern,  lag das höchstgelegene  bewohnte Gebäude im Böhmerwald. Auf einer Lichtung mitten in den schier unendlichen Wäldern und ausgedehnten Mooren  wurde das Haus von der fürstlichen Herrschaft Schwarzenberg um 1804 erbaut.  Es stand am östlichen Rand des Bärensteindls (Medvĕdi hora - 1224 m) am  linken Ufer des Rachelbaches in 1180 Meter Höhe.

Mit dem Bau des Chinitz-Tettauer-Schwemmkanals an der Vydra sollte der Holztransport aus den abgelegenen Wäldern möglich gemacht werden. Hier an der Rachelhütte entstand eine Klause, die den teilweise regulierten Rachelbach (früher Müllerbach) mit Wasser versorgte. Damit sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Holz aus dieser abgelegenen Bergregion billig und schnell zum Kanal zu bringen. Mit Pfählen und Erdreich entstand  ein 45 m breiter Damm und ein 4 m tiefer Stausee. Der erste Revierförster war Josef Trampus, er bezog mit Frau und drei kleinen Kindern, zwei Ziegen und ein paar Hühnern 1869 das Forsthaus. Es war schon eine ungeheure Herausforderung, in dieser Abgeschiedenheit mit kleinen Kindern in den  langen Wintermonaten zu leben. Die nächsten Nachbarn wohnten im 5 km entfernten Pürstling  und im weiteren 7 km entfernten  Mader. Frau Trampus war eine gläubige Christin; in ihrer Stube hatte sie einen Herrgottswinkel  mit Bildern von Heiligen und der Muttergottes. Ehe 1937 neben dem Forsthaus eine Touristenhütte erbaut wurde, die heute noch vorhanden ist, konnten  Wanderer auch im Forsthaus einkehren und sogar übernachten. Der Wasserspeicher existiert heute nicht mehr, er wurde in der kommunistischen Ära gesprengt, weil hier ein Soldat der Grenztruppe ertrunken sein soll.

Der Förster in der Rachelhütte hatte den Holzeinschlag und die Trift zu organisieren, und er bezahlte die Arbeiter nach geleisteter Arbeit aus. Die fürstlichen Förster wurden  damals als Verkörperung der Grundobrigkeit angesehen. Für die Holzhauer waren sie noch lange der „gestrenge“ und der „gnädige“ Herr oder auch der „Herr Vater“. Im Sommer war  die Waldlichtung  mit Leben erfüllt.  Es konzentrierte sich die Arbeit auf das Fällen der Bäume mit Axt, Zugsäge und Buchenholzkeilen. Die Stämme wurden entastet und entrindet,  dann in Blöcher und Scheite geschnitten.   Pferde und Ochsen rissen die Stämme zu den Lagerplätzen. Von hier aus wurden sie im Winter mit Schlitten an die  Ufer der Schwellen und Bäche gezogen. Es fuhren immer mehrere Schlitten zusammen, um bei Gefahr mit vereinten Kräften helfen zu können.   Schneite es im Winter viel, schneite es den Holzhauern auch Geld, denn beim Holzziehen verdienten sie dreimal so viel als bei den übrigen Arbeiten. Mit den großen Hörnerschlitten musste das Scheitholz und die Blöcher zu Tal geschafft werden. Etwa drei Festmeter, das war ein Gewicht von fast 2 Tonnen, wurden mit Ketten und Stricken auf dem Schlitten festgebunden.  Mit dem „Krall“ (Kralle) und einem „Anhang“ als Bremse ging es mit eigener Kraft, Geschicklichkeit  und Gottes Hilfe abwärts.  Bei hohem Schnee benutzten  die Holzhauer auf dem Weg zur Arbeit zwar Schneeschuhe,  aber nicht bei der eigentlichen Waldarbeit. Lederschuhe konnten sich die wenigsten leisten, sie haben sich ihre Füße mit Lappen eingewickelt, sie trugen Holzschuhe mit Schafwollstrümpfen oder Filzstiefel. Auch selbstgemachte Handschuhe waren üblich.  Das Reisig wurde gebündelt und die Rinde in Gerbereien verwendet. Holz war der Reichtum des Böhmerwaldes, alles hat man genutzt. Die Triftsaison begann mit der Schneeschmelze im April. Das „Schwemmen“ bezog sich auf Scheitholz, während man unter „Triften“ das Schwemmen von „Blöchern“ oder einzelnen Stämmen verstand. Wurden die Stämme zu einem Floß zusammengefügt sprach man vom „Flößen“. Aber mit dem  Höhepunkt des Schwemmens kam auch schon die Konkurrenz:  Kohle, Straßen und Eisenbahn. Hochwertige, astfreie Stämme mit engen Jahresringen  übernahm gegen gute Bezahlung  die Bienertsäge in Mader.

 

Die Bienertsäge

1826 kaufte Franz Bienert  von Jakob Grubert in Mader (Modrava) eine Mühle und baute sie zu einem Sägewerk um, in dem er Resonanzholz verarbeitete.  Damit hat auch der Aufstieg Maders begonnen, wo sich die Sägearbeiter und Holzhauer niederließen. In der Bienertsäge waren über 100 Arbeiter beschäftigt. Der Rachelbach hieß früher nach dieser ehemaligen Mühle „Müllerbach“. Der Transport des Resonanzholzes nach Mader war schwierig.  Die primitiven Holzfuhrwerke hatten auf den schlechten Waldwegen Anfahrten bis zu 50 km. Nach dem Tode von Franz Bienert 1866 führte seine Frau den Betrieb noch 10 Jahre weiter, ehe sie ihn an Fürst Jan  Adolf Schwarzenberg verkaufte. Die Sturmkatastrophe 1870 und die anschließende  Borkenkäferinvason haben den Böhmerwald so verändert, dass kaum mehr hochwertiges Resonanzholz mit engen Jahresringen zu bekommen war.

 

Das Trampus-Kreuz

Am alten Weg von Mader nach Pürstling steht heute noch zur Erinnerung an die Försterfamilie Trampus das „Trampus-Kreuz“. Das Kreuz befindet sich in der ehemaligen, 1195 m hoch gelegenen  Holzhauersiedlung „Josefstadt“, die nur während der schneefreien Monate von Holzhauern mit ihren Familien, Kühen, Ziegen und Hühnern bewohnt wurde. Zuhause waren diese  Menschen z. B. im weit entfernten Langendorf  (Dlouhá Ves) bei Schüttenhofen, Die Siedlung mit 13 einfachsten Holzhäusern ist wahrscheinlich um 1800 entstanden, nachdem Fürst Schwarzenberg große Waldungen erworben hatte. Verschwunden ist sie wieder  Ende der 1880er Jahre. Ich habe eine alten Karte von 1894, dort  ist sie noch eingezeichnet.

Der 1780  bei Vimperk geborene Augustin Trampus war von 1811 bis 1846 im Dienst der Schwarzenberger Herrschaft und war 19 Jahre lang Revierleiter in Pürstling.  Sein 1823 geborener Sohn Josef war zunächst Forstgehilfe in Mader und Pürstling  und wurde erster Förster in der Rachelhütte.

 

Quellen: E.Zemanová:“Šumava-Roklanská ve vzpominkách (Erinnerung an das Rachelforsthaus), Teplice v Čechách 2011; Zdenĕk Roučka: „Šumavou“, ZR & T 2008;

 

 

Fotos und Repros: H. Aschenbrenner

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