Ein Mitterfelser Urgestein : Josef Attenberger

Ein Mitterfelser Urgestein : Josef Attenberger

Ein Mann mit scharfem Verstand - Josef (Sepp) Attenberger: Ein Urgestein, an dem sich die Geister scheiden (+ 17.2.2017)

Jetzt ist er mit fast 85 Jahren am 17. Februar verstorben, der Josef Attenberger, der Sepp. Wenn man auf ihn zu sprechen kommt, reagiert der eine oder andere Mitterfelser eher reserviert. Er war ein alter Mitterfelser Bürger, ein „Urgestein“, das in vielen Lebenslagen außerhalb gängiger Normen gelebt hat.

Er war ein Original, mit einem scharfen Verstand und mit einem phänomenalen Gedächtnis, er war ein „Fuchs“. An ihm scheiden sich die Geister. Manche sagen, sein Anwesen sei ein Schandfleck für Mitterfels und mögen, nach allgemein gängigem Empfinden, damit recht haben. Jedenfalls war er mit sich und seinem Leben offensichtlich so, wie es war, zufrieden. Auch wenn dies vielen nicht verständlich war, so zu leben, wie er gelebt hat. „Er war doch nicht arm, hatte Grundstücke“, und manche sagen, „er hatte Geld unter dem Strohsack“.
Er war in gewisser Weise misstrauisch, nicht jeder durfte in sein Haus. Wenn man zu ihm wollte und geläutet hat, lugte er erst mal hinter dem Vorhang von seiner Stub‘n durchs Fenster, wer draußen war. Und ob dieser auch würdig war, dass er empfangen wurde. Ich wurde immer wieder von ihm empfangen und ins Haus gelassen. Warum? Weil meine Frau, so hat er mir selbst mal gesagt, ihm jedes Mal ein „Schnapserl“ gegeben hat, wenn er bei uns früher zum Ablesen des Wasserzählers kam. Und, weil ich ein guter, geduldiger Zuhörer war, wenn er zum Erzählen von früher anfing und über Dinge redete, die ich eigentlich gerade gar nicht fragen wollte.
Ja, fragen, fragen konnte man den Sepp über alles. Er war einer meiner besten, zuverlässigsten Quellen bei Recherchen für meine Artikel für das Mitterfelser Magazin. Ob es um alte Geschichten über (Heil-)Wasser, Quellen, Telefon, Radio, elektrischen Strom oder über die Gemeinde im Allgemeinen ging, über die ich ihn gefragt habe, der Sepp hat dabei verschmitzt geschaut, über alles Bescheid gewusst und ohne lange zu überlegen Auskunft gegeben.
Im November 2014 haben der Tosch Franz und ich den Sepp zu einem Interview auf Tonband in die alte Hien-Sölde bei ein paar „Flascherln“ Bier eingeladen. Das Tondokument haben wir noch, es gibt über viele Ereignisse von früher Auskunft, was bisher im MM oder anderswo noch nicht gedruckt wurde.
Und wenn er auch ein Mensch außerhalb so manch gängiger Normen war und von diesem oder jenem Mitterfelser kopfschüttelnd belächelt wurde, wenn er sich mit seinem Fahrrad mühsam durch Mitterfels bewegte: Aber hat er nicht in Mitterfels für die Gemeinde und am Friedhof für uns Bürger Arbeiten gemacht, die unter den damaligen Bedingungen kaum einer von uns gemacht hätte?
Günter Spießl
Bogener Zeitung , 08.03.2017



Requiem Josef Attenberger(+ 17.2.2017) ( L: I Kor 15,51-57 - Ev: Lk 7,11-17)
Liebe Familie Brunner, liebe trauernde Angehörige, Schwestern und Brüder!
Wir alle kennen das alte Lauf- und Fangspiel „Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann?". Auch unser Verstorbener, Josef Attenberger, wird es in seiner Kindheit wohl gespielt haben: mit seiner älteren Schwester Anna, den Schulkameraden oder den Nachbarskindern rund um das kleme landwirtschaftliche Anwesen seiner Eltern hier in Mitterfels an der Bayerwald-straße, wo er 1932 geboren wurde und aufgewachsen ist.
Der „Schwarze Mann" in diesem Kinderspiel, so sagen uns die Forscher, meint nicht etwa einen dunkel häutigen Fremden, der manchen Leuten Angst einflößt, sondern rührt her vom "Schwarzen Tod", der Pest also, und symbolisiert damit letztlich den Tod selbst
Und was die Kinder einander zurufen - "Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann?" - das trifft wohl auf uns alle zu: Wir fürchten den Tod Wir möchten mit dem Tod und mit den To-ten deshalb am besten gar nicht m Berührung kommen. Aus einer archaischen Angst heraus, wir könnten uns dadurch sozusagen mit ihm infizieren wie mit der Pest; der Tod. könnte auf uns abfärben, wenn wir mit ihm in Kontakt kommen, und dann auch uns erwischen, so wie der Fänger die Läufer in dem Kinderspiel. Darum gehen wir dem Tod gern aus dem Weg. Und dementsprechend antwortet deshalb auch die andere Gruppe in dem Spiel: „Wenn er aber kommt?" - der Schwarze Mann, der Tod – „Dann laufen wir davon."
Und auch zu denen, die mit dem Tod zu tun haben, die hautnah mit ihm und mit den Toten umgehen, gehen deshalb viele Menschen lieber auf Distanz. Sie sind ihnen suspekt und ein wenig unheimlich. Das hat wohl auch Josef Attenberger als langjähriger Totengräber von Mitterfels so erfahren.
Nach diversen anderen beruflichen Tätigkeiten - zuerst in der Landwirtschaft seiner Eltern. dann als LKW-Fahrer im Fuhrunternehmen Schmid, als Strom- und Wassserableser und als Gemeindearbeiter im Mitterfelser Bauhof - hat er die Aufgabe des Totengräbers auf unserem Friedhof übernommen. Über Jahrzehnte hin hat er zahllosen Mitterfelsern von Hand ihr Grab geschaufelt, beim Einsargen geholfen, ihnen als Sargträger das letzte Geleit gegeben und sie ins Grab gebettet; auf dem Gottesacker, damit ihnen aus dem Tod neues Leben erblühen möge. Wenn all jene, für deren Angehörige der „Attenberger Sepp" das Grab geschaufelt hat, ihm nun ihr Gebet zukommen lassen, dann hat er viele Fürsprecher im Himmel.
Tote begraben. das zählt zu den leiblichen Welken der Barmherzigkeit, von denen Christus in seinem großen Gleichnis vom Weltgericht sagt: „Das habt ihr mir getan". In seiner Aufgabe als Totengräber hat unser verstorbener Bruder im Glauben somit einen wertvollen Dienst der Nächstenliebe geleistet, worauf Christus mit Anerkennung blicken wird Von daher ist es schade, dass diesem Dienst immer noch der Verdacht des Unreinen anhaftet - wie das schon im Alten Testament, im Buch Tobit etwa. greifbar ist - und diejenigen, die diesen Dienst für uns leisten, in den Bereich des Unberührbaren ruckt. zu denen man den Kontakt lieber meidet Aber es war wohl nicht nur seine Aufgabe als Totengräber. die Josef Attenberger seinen Platz am Rande unserer Gemeinschaft hat einnehmen lassen. Er hat auch selber ungern andere Menschen an sich heran oder in sein Haus gelassen. Wiewohl er zuzeiten anderen Menschen durchaus auch hilfsbereit begegnen konnte: etwa wenn er ihnen geholfen hat, Verstorbene einzukleiden, oder ihnen gegen ein kleines Trinkgeld den Garten gemäht bat, in der jahrelan¬gen Betreuung seiner Schwester Anna bis zu deren Tod oder auch mit seinem Einsatz bei der Freiwilligen Feuerwehr Mitterfels.
Aber insgesamt hat er doch lieber ein einzelgängerisches und eigenbrötlerisches Leben ge-führt, Eine eigene Familie hat er nie gegründet; er ist sein Leben lang ledig und kinderlos ge-blieben. Nur zu seiner Großcousine und ihrer Familie - zu Ihnen, liebe Familie Brunner - hat er näheren Kontakt gepflegt Ein wenig schlitzohrig. wie er war, wollte er sich von nieman-dem in die Karten schauen lassen. Und er mochte sich auch nicht von anderen helfen lassen; obwohl doch unübersehbar war, dass er solche Hilfe dringend gebraucht hätte, wenn man die prekären, verwahrlosten Umstände gesehen hat, unter denen er gelebt hat was Wohnung, Heizen, Kleidung und Essen anbetrifft, Aber ihm selbst hat das alles offensichtlich nichts ausgemacht, so genügsam, bescheiden und extrem sparsam - um nicht zu sagen: knickrig -. wie er war. Denn leisten können hätte er sich einen besseren Lebensstil wohl durchaus. Nachdem Josef Attenberger Ende Januar auf dem Weg zum Einkaufen gestürzt war und des-wegen ins Krankenhaus kam, trat sein schlechter Gesundheitszustand zu Tage, und es wurde eine schwere Lungenentzündung bei ihm diagnostiziert, so dass absehbar war, dass er wohl nicht mehr lange leben würde. Auf der Palliativstation des Klinikums Deggendorf, wo er zuletzt lag, ist er am vergangenen Freitag im Alter von 84 Jahren daran gestorben. So geleiten wir ihn heute im Leichenzug aus unserer Gemeinschaft hinaus zu Grabe, so wie das der „Attenberger Sepp" selbst als Sargträger unzählige Male für andere getan hat
Die Szene aus dem Evangelium, das wir gerade gehört haben, als man einen Verstorbenen aus der Stadt Nain zur Bestattung hinausträgt, war unserem Verstorbenen also bestens vertraut. Und was tut Jesus in der Szene? Er stellt sich dem Trauerzug mit dem toten jungen Mann in den Weg und hält ihn auf. Das ist vom Evangelisten nicht einfach nur so erzählt, sondern durchaus auch in einem tieferen Sinn gemeint.
Jesus schreckt vor dem Tod nicht zurück, er hat keine Berührungsängste damit Jesus läuft vor dem „Schwarzen Mann" nicht davon. Selbst bei Lazarus, der schon vier Tage im Grab lag und man Jesus deshalb warnt, als er das Grab öffnen lassen will: "Herr, er riecht aber schon", selbst da weicht Jesus nicht zurück. Jesus stellt sich dem Tod in den Weg und holt den Verstorbenen aus dem Tod ins Leben zurück. Ja, noch mehr. Jesus ist in seinem Sterben und Auferstehen selbst in den Tod hineingegangen, um uns Menschen aus den Fesseln des Todes zu befreien, uns durch den Tod hindurch in das neue Leben bei Gott zu führen.
Auf ihn. auf Christus, hat Josef Attenberger sein Leben lang fest vertraut. Schon als Kind hat er jahrelang bei den Gottesdiensten ministriert und ist später verschiedentlich als Aushilfs-mesner tätig gewesen. Er hat gerne den Rosenkranz gebetet - privat zuhause und samstags die halbe Stunde vor der Vorabendmesse in der Kirche. Das war in den zurückliegenden Jahren seine Messe, die er treu mitgefeiert hat, um Gott die Ehre zu geben und sich in der Gemein¬schaft mit Jesus Christus zu stärken. Auch von seiner massiven Gehbehinderung, die ihn seit Jahren beeinträchtigt hatte, hat er sich vom Gottesdienstbesuch nicht abhalten lassen. Auf sein Fahrrad gestützt - wo nicht zu entscheiden war, wer da eigentlich wen führt: er das Fahrrad oder das Fahrrad ihn - hat er sich hinkend zur Kirche geschleppt Dieses Bild von unserem Verstorbenen wird mir in lebendiger Erinnerung bleiben.
Diese gelebte Treue zu Gott darf uns zuversichtlich stimmen, dass Christus sich auch dem Leichenzug von Josef Attenberger in den Weg stellen wird, an seine Totenbahre treten und ihn aus dem Tod ins Leben rufen wird Freilich nicht - so wie den jungen Mann im Evange-lium - einfach wieder zurück in dieses irdische Leben, wo Leben, Leiden und Sterben von neuem auf uns warten würden. sondern hinein in ein ganz neues, anderes, unvergängliches Leben bei Gott, zu dem wir zusammen mit Christus und dank seiner Gnade verwandelt wer-den, wo alles Vergängliche in Unvergänglichkeit gewandelt ist, wie es in der Lesung geheißen bat, wo alles Unfertige und Stückwerk unseres Lebens durch Gott vollendet sein wird, wo es keinen Tod mehr gibt und keine Trauer, sondern Friede und Freude und ewige Erfüllung bei Gott Wo die Macht des Todes für immer vernichtet ist und keiner mehr Angst haben muss vor ihm, dem "Schwarzen Mann".

 

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