Sie begleitet Menschen auf ihrem letzten Weg - Heidi Lattermann aus Mitterfels engagiert sich als Sterbebegleitung beim Hospizverein
Da war einmal eine Frau, 100 Jahre alt, blind und auf einem Ohr taub. Aus ihrem Leben wollte sie erzählen und zwar jemandem, der ihre Geschichte noch nicht kannte. Heidi Lattermann aus Mitterfels hörte ihr zu. "Wie alt bin ich jetzt?", hat die Frau gefragt. Und Heidi Lattermann hat ihr die Tage ab ihrem 100. Geburtstag gezählt. Nach einigen Monaten ist die Frau gestorben. Nur eines von vielen Schicksalen, die der 69-Jährigen in Erinnerung geblieben sind. Sie ist ehrenamtliche Sterbebegleiterin für den Franziskus- Hospizverein Straubing-Bogen und besucht vor allem. im BRK-Seniorenheim in Mitterfels schwerkranke Menschen, die allein sind oder deren Angehörige Entlastung brauchen.
Das Thema Tod, das war "ganz weit weg" von ihr, erzählt Lattermann. Damals, vor dem Jahr 2000. Dass es einen selbst einmal betreffen würde, daran denkt man ja nicht, sagt die ehemalige Krankenschwester heute, obwohl sie auch in ihrem Beruf mit Krankheit und Tod konfrontiert war. Dann kam die Nachricht, die ihr Leben auf den Kopf stellte: Ihr erst kürzlich pensionierter Ehemann war schwer krebskrank und starb schon kurze Zeit nach der Diagnose. Alle Pläne, die sie zu zweit geschmiedet hatten - vorbei. Plötzlich war da diese Leere.
Diese Leere füllen
Nie wieder wollte sie so weit weg vom Tod sein. Nie mehr dadurch so den Boden unter den Füßen verlieren. Zudem wollte sie diese Leere füllen. "Ich musste mir etwas suchen", schildert sie. Ihr reiche es einfach nicht, sich nur um sich selbst zu kümmern. Nachdem sie selbst eine Trauergruppe besuchte, beschloss sie 2003 selbst Sterbenden und deren Angehörigen - denn die bräuchten oftmals mehr Hilfe als die Betroffenen selbst - zu helfen. Indem sie einfach in dieser schlimmen Zeit der Krankheit und des Todes für sie da ist und sich richtig Zeit für sie nimmt. Mindestens zweimal in der Woche geht Lattermann ins Mitterfelser Seniorenheim. Derzeit sind es zwei Menschen, die sie begleitet. Sie sitzt neben den Patienten, streichelt ihre Hand, erzählt, liest Marienlieder vor oder lässt sie aus ihrem Leben erzählen oder schweigt einfach - was sich die Menschen eben wünschen. "Ich mache nichts, außer dass ich vorbeikomme", sagt Lattermann bescheiden. Manchen Menschen ginge es einmal ganz schlecht, und dann schafften sie es doch noch einmal. Natürlich besuche sie diese trotzdem weiter. Drei Mal habe sie schon miterlebt, wie ein Mensch gestorben ist. Aber das sei immer ein ruhiger und friedlicher Tod gewesen.
Am Anfang war das nicht so einfach für die 69-Jährige. Nein. Auch Angst hatte sie anfangs. Was sie da erwarten würde. Zunächst ist sie ja eine Fremde für die Kranken. Da fällt ihr wieder ein Schicksal eines Menschen ein. Ein Mann, der nicht mehr sprechen konnte. Über ein Jahr besuchte sie ihn. Aber was sollte sie mit ihm reden? Sie kannte ihn und seine Interessen nicht. Und er konnte sich nicht verständigen. Über Sport, ja, über Sport habe sie ihm dann oft etwas erzählt. Und er habe sich gefreut, wenn sie kam, lächelte.
Früher machte Lattermann auch oft Besuche bei den Betroffenen Zuhause. Auch mal mitten in der Nacht. Vier bis fünf Stunden am Stück. Heute komme das seltener vor, sagt sie. Aber im Notfall natürlich schon. Als sie das Ehrenamt aufnahm, gab es noch nicht so viele Sterbebegleiter und sie musste auch schon mal weiter fahren wie beispielsweise nach Parkstetten. Aber heute seien sie gut im ganzen Landkreis verteilt und deswegen sei sie jetzt vorwiegend im Mitterfelser Seniorenheim tätig.
Sterben "etwas Normales"
Sie hat schon Schlimmes gesehen, sagt sie. Und ja, diese Schicksale gingen ihr schon auch manchmal aufs Gemüt. Sie mache das "nicht spaßeshalber." Ob sie ihr Ehrenamt belastet? "Ja und nein." Sie ist sich jetzt bewusst, dass Sterben "etwas Normales" ist. Ein "normales Ende". Ihre Tätigkeit gibt ihr auch etwas zurück, auch wenn sie nicht beschreiben kann, was genau dieses "etwas" ist. Mit ihren Erfahrungen ist sie nicht allein. Beim monatlichen Treffen der Sterbebegleiter könne man sich austauschen und Ratschläge bekommen. "Das tut gut."
Insgesamt rund 30 Sterbe- und Trauerbegleiter gibt es laut Konrad Holzapfel, Vorsitzender des Franzikus-Hospizvereins, im Landkreis Straubing-Bogen und in der Stadt Straubing.
Holzapfel bestätigt: "Das ist keine leichte Aufgabe." Zuerst müsse man einen Basiskurs an drei Samstagen besuchen, anschließend einen Intensivkurs an fünf weiteren Samstagen. So würden die Ehrenamtlichen auf die Aufgabe vorbereitet. Aber der Hospizverein bietet auch weitere Hilfen an. So gibt es beispielsweise das Mutmach-Cafe oder auch verschiedene Selbsthilfegruppen zur Trauerbewältigung wie "Leere Wiege".
Vor allem die Trauerkurse seien in vergangener Zeit sehr positiv aufgenommen worden. Holzapfel weiß, dass es eine gewisse Hemmschwelle gibt, Hilfe von außen anzunehmen. Viele Angehörige sagten sich, man werde es schon schaffen. Aber der Hospizverein-Vorsitzende weiß aus Erfahrung: Wer die Hilfe annimmt, ist danach "glücklich und zufrieden."
Bericht und Bild : -rom- (SR-Tagblatt, 19.02.2011)
Wer sich für die Arbeit des Franziskus-Hospizvereins Straubing-Bogen interessiert, kann sich im Hospizbüro, Alburger Straße 12a, unter Telefon 09421/12908 informieren oder im Internet www.hospizverein-straubing-bogen.de.