"Da-di-da" bis 100 : Gitarre lernen leicht(er) gemacht - Für Altenheim, Universität und "Stille Nacht“

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Auf den Mitterfelser Straßen sind kaum noch Menschen unterwegs, nur fünf Schülerinnen haben sich abends in der unteren Burgstraße versammelt. Sie sind hier, um Gitarre spielen zu lernen.

Mit ihrem Instrument betreten sie den Unterrichtsraum ihres Lehrers Rainer Schmidt, dessen Versprechen vollmundig klingt: Nach sechs Unterrichtsstunden sollen auch die blutigsten Anfänger gelernt haben, gesungene Lieder passabel auf der Gitarre zu begleiten. Dieser Weg wird kein leichter sein:

So viel wird bei einem Besuch der dritten Unterrichtsstunde schnell deutlich. Ans Aufgeben verschwenden die Damen im Alter von "zwanzig bis etwas älter", wie Schmidt es umschreibt, aber keinen Gedanken.

Nur der Platz des sechsten Schülers, der einzige Mann der Gruppe, bleibt heute leer. Plagte ihn vielleicht das schlechte Gewissen, weil er nicht geübt hatte? Denn bei all dem Spaß an der Freude, den Schmidt vermitteln will, weiß er auch: Ohne Disziplin geht gar nichts. Zwanzig Minuten pro Tag sollten es mindestens sein, um besser werden zu können. Deshalb kontrolliert er zu Beginn der Stunde den sogenannten "Übungskalender"; ein Blatt, auf dem die Schüler eintragen sollen, wann und wie lange sie in der vergangenen Woche geübt haben.

"Meine Finger sind zu kurz!", klagt Angelika

Bei dem Stichwort "Übungskalender" schrickt Angelika auf. Ihr Kalender ist für die Zeit seit der letzten Stunde gähnend leer. "Ich hab' aber nur das Eintragen vergessen! ", beteuert die Altenpflegerin heiter und trägt die Übungszeiten rasch nach. Aber sie handelt sich gleich einen zweiten Tadel ein: Ihre Fingernägel seien fürs Gitarrenspiel zu kurz geschnitten, merkt Schmidt bei einer Runde durch die Gruppe an. "Letztes Mal waren die Fingernägel zu lang, jetzt sind sie wieder zu kurz ... ", lamentiert sie. Dabei hat sie ohnehin schon einen natürlichen Nachteil zu akzeptieren: Sie hat mit der Länge ihrer Finger zu kämpfen. "Schauen's her", sagt sie, als die Griffe für D und A 7 wiederholt werden. "Da komm' ich mit meinen kurzen Fingern fast gar nicht hin." Die Siglinde, ihre Nachbarin zur Linken, habe längere Finger, sagt sie, die habe es da schon leichter. Siglinde hat dafür andere Probleme, vor allem bei der Übung, bei der im Wechsel beide Akkorde angeschlagen werden, wobei das Tempo stetig gesteigert und mitgezählt wird. Bis 100, wie Schmidt mehr scherzhaft als im Ernst fordert, kommen sie alle nicht. "Bei 30 hat's mich geworfen", klagt Siglinde.

Glückwünsche singen und Prüfung bestehen

Der erste Eindruck macht es deutlich: Das Erlernen des Gitarrenspiels erfordert Durchhaltevermögen, frustrierende Momente gibt es immer wieder. "Ein Anfänger der Gitarre habe Eifer" lautet nicht ohne Grund ein Merksatz für die Stimmung der drei Stahl- und drei Nylonsaiten in E-A-D-G-H-e. Die fünf Teilnehmerinnen. aber bleiben hartnäckig, weil sie genau wissen, warum sie Gitarre spielen lernen wollen. Angelika ist Altenpflegerin, das Singen und Musizieren geht in jeder Altersgruppe. Das bestätigt auch eine andere Kursteilnehmerin, die als Kindergärtnerin die Lieder ihrer Kleinen künftig auch mit der Gitarre begleiten möchte. Die Jüngste der Runde ist mit 20 Jahren Laura. Sie studiert Grundschullehramt mit Schwerpunktfach "Musik" und muss bei einer Prüfung fünf Lieder mit Begleitung eines Instruments vortragen. "Dann lern' ich einfach Gitarre", dachte sich Laura. Nach dem Kurs könne sie dann vielleicht auch "Lemontree" spielen. Das Lied singt sie oft und gern, bisher ohne musikalische Begleitung, zusammen mit ihren Freundinnen.

Gitarrenschülerin Siglinde wiederum hat den Ehrgeiz, es besser zu machen als ihre Söhne. Die hätten zwar die Musikschule besucht, ihr Instrument aber dennoch wieder aufgegeben. Sie hingegen möchte in wenigen Wochen schon Weihnachtslieder begleiten können. Die Fünfte im Kurs, Roswitha, ist einfach auf der Suche nach einer Herausforderung für die Wintermonate. Außerdem sei der von der Katholischen Erwachsenenbildung angebotene Kurs gar nicht teuer. Ohne Buch und Zubehör zahlen die Teilnehmer für sechs Unterrichts termine 80 Euro.

Spielen und auch Singen ab der ersten Kursstunde

Genau für Leute wie die aus dem Kurs hat Rainer Schmidt mit seinem Bruder Stefan vor über 30 Jahren das Lehrbuch "Gitarrenkurs. Der neue Weg zur Gitarre" geschrieben. Für das, was sie wollen, müssen sie nicht klassische Konzertgitarre lernen. Manchmal würde es sogar direkt schaden, meint Schmidt, und erzählt von einer Schülerin, die fast zwei Jahre zur Musikschule ging und sich dennoch nicht traute, ihrem kleinen Sohn daheim etwas zur Gitarre vorzusingen.

Bei Schmidt wäre das nicht passiert, das Singen gehört für ihn unbedingt dazu. Es "öffnet die Seele", wie er es formuliert. Deshalb wird mit den wenigen Griffen, die man bisher gelernt hat, munter drauf losgesungen: ,,(Probier's mal mit) Gemütlichkeit", "Vogelhochzeit", "Rock My Soul" und "He's Got the Whole World" werden, so gut es geht, gespielt und gesungen. Richtig gut geht es noch nicht, aber Spaß macht es trotzdem schon.

Viele Lieder auch ohne schwierige Griffe zu spielen

Um die Titel schmissiger zu machen, führt Schmidt zum Schluss der Stunde das erste Schlagmuster ein: .Da-di-da'' sagt er dazu und macht es auf seiner Gitarre vor, bis es ihm alle nach bestem Vermögen nachtun. Zum Schluss verteilt er noch einige Kapodaster, jene Klammern, die über die Saiten gespannt werden und dadurch die Tonlage eines Liedes ändern. "Bei einigen Liedern spart man sich dadurch die schwierigen Barregriffe" , vor denen so mancher lernwillige Gitarrenschüler letztendlich doch kapitulieren musste. Dieses Schicksal soll seinen Schülern erspart bleiben. Am Üben sollten sie aber nicht sparen. „Da-di-da", 100-mal, sollte nächste Woche schon drin sein. Auch mit Temposteigerung.

 

Bericht und Bilder : Ludwig Langwieder (SR-Tagblatt, 17.10.2013)