Bruder-Konrad-Werkstätte: "Ins Leben zurückgekämpft"

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Bruder-Konrad-Werkstätte gibt Schädel-Hirn-Verletzten eine Chance für ein Arbeitsleben


Machts wMit 26 Jahren stürzte Siegi Macht vom Dach seines Stadels in die Tiefe. Schwerste Schädel-Hirn-Verletzungen überlebte der gelernte Elektriker wie durch ein Wunder. Sein Leben ist nach dem Unfall nun aber ein ganz anderes. Der Weg zurück ins Arbeitsleben war ein harter Kampf. Ohne die Bruder-Konrad-Werkstätte der KJF in Mitterfels hätte er diesen nicht gewonnen.

Rosi und Siegi Macht in der Bruder-Konrad-Werkstätte der KJF-Werkstätten in Mitterfels


Sie hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben. Die Rückkehr an seinen bisherigen Arbeitsplatz hatte Siegi Macht versucht. Aufgrund der Einschränkungen nach seinem schweren Unfall konnte er den Arbeitsalltag so nicht mehr bewältigen. Seit 2007 begleitet der Diplom-Psychologe Armin Dunkel nicht nur Siegi Macht und dessen Frau Rosi, sondern auch die Fachkräfte in der Werkstätte, damit diese die mittlerweile 13 Mitarbeiter mit Schädel-Hirn-Trauma oder nach einem Schlaganfall bestmöglich an ihrem Arbeitsplatz in der Werkstätte begleiten und fördern können.


Die Werkstätte - Ein ganz besonderer Arbeitsplatz

Einrichtungsleiter Manfred Schmidt hat die Bruder-Konrad-Werkstätte in den vergangenen neun Jahren fachlich spezialisiert, damit dort Menschen mit einer neurologischen Erkrankung arbeiten können. "In den meisten Fällen gestalten wir ganz individuelle Arbeitsplätze", erklärt er, "das ist die Stärke unserer Einrichtung, denn wir setzen uns mit den Bedürfnissen dieses Personenkreises intensiv auseinander, erarbeiten gemeinsam mögliche Einsatzgebiete und schaffen dafür die Rahmenbedingungen."

Im Gespräch mit dem Einrichtungsleiter wird schnell deutlich: Diese Leistungen eines Arbeitgebers sind einzigartig, um Menschen zu beschäftigen, die sonst arbeitslos wären. Unerlässlich sei es, so Schmidt weiter, dass die Gruppenleiter an Fortbildungen teilnehmen. "Ein wesentlicher Bestandteil unseres Konzeptes für Menschen mit neurologischen Erkrankungen ist die Betreuungsleistung durch den Neuropsychologen Armin Dunkel", führt er weiter aus.

 

Großartige Leistung - es gibt immer Fortschritte

Dunkel betreut regelmäßig die Werkstattbeschäftigten mit neurologischen Erkrankungen und erarbeitet mit ihnen Kompensationsstrategien, damit sie einer Arbeit nachgehen können. Er ist Ansprechpartner für die Gruppenleiter, gibt in Fallbesprechungen gezielt Hilfestellung zur Eingliederung und stimmt mit dem medizinischen Dienst spezielle Förderangebote des kognitiven Trainings ab. Er vermittelt den Gruppenleitern in der Werkstätte in Einzelsupervision und edukativen Maßnahmen Hintergrundwissen über die Auswirkungen von Schädel-Hirn-Verletzungen und wie man Verletzte fördern und unterstützen kann.

Die Ärzte hatten Siegi Macht schon aufgegeben. Seine Frau Rosi verlor jedoch nie die Hoffnung. Wie damals am Krankenbett, so warte sie auch heute noch, erzählt die gelernte Krankenschwester, "denn es gibt immer wieder Fortschritte". Sie hat im Laufe der vergangenen Jahre erfahren: Mit entsprechender Unterstützung oder Hilfsmitteln kann man vieles kompensieren und verbessern. Der Neuropsychologe Armin Dunkel hat den beiden dabei entscheidend geholfen. 2006 wurde er nach der stationären neurologischen Rehabilitation hinzugezogen. Bis dahin hatte Macht zwei epileptische Anfälle, unzählige Krankenhaus- und Behandlungstage hinter sich und er hatte versucht, seine Beschäftigung als Elektriker aufzunehmen. Doch er scheiterte. Dann beauftragte die Berufsgenossenschaft den Neuropsychologen. Der Kostenträger gab ihm keine große Chance, dass eine Beschäftigung funktionieren würde. Dagegen sprachen die Vorerfahrungen in den Rehabilitationskliniken und die Schwere der Symptomatik. Auf Anraten Armin Dunkels begann er in der Bruder-Konrad-Werkstätte zu arbeiten.

Es war für ihn anfangs nicht einfach, sich auf die Werkstätte einzulassen. Mit der Zeit lernte er mit seiner Behinderung besser umzugehen, bestimmte Defizite auszugleichen und wieder eine Arbeitsstruktur, einen Lebensrhythmus zu finden. Dunkel sagt dazu: "Das sind Ziele, die man nicht unmittelbar greifen kann, aber Lebensqualität ausmachen. In diesem Sinne hat sich Herr Macht wieder ins Leben zurückgekämpft und nimmt aktiv am Leben teil. Von einer sehr schlechten Prognose, die anfangs das Überleben und später das soziale Leben infrage gestellt hat, hin zu heute stabilen Lebensverhältnissen, in denen der familiäre Kontext und die Ehe erhalten blieb, ist das eine großartige Leistung."

Siegi Macht arbeitet heute in der technischen Fertigung der Werkstätte. "Ich komme erst um 10 Uhr, nicht schon um 8 Uhr, weil ich das einfach nicht schaffe. In einer Firma brauchst du damit gar nicht anfangen. Da bist du gleich weg vom Fenster", erzählt er. Auch das sind Rahmenbedingungen wie sie die Werkstätte für ihn bietet, damit er seinen Arbeitstag bewältigen kann.

Wieder einmal eine Wertschätzung erleben

Die Bruder Konrad Werkstätte spezialisiert sich immer weiter, damit sie für Schädel-Hirn-Verletzte und Schlaganfallpatienten den passenden Arbeitsplatz bieten kann. Das sei eine große Herausforderung, meint Manfred Schmidt, denn es sei oft sehr schwierig die Leistungsfähigkeit und das Verhalten eines neurologisch erkrankter Menschen einzuschätzen.

Menschen mit neurologischen Erkrankungen, die in der Regel vorher in der freien Wirtschaft gearbeitet haben, fällt es zunächst schwer in einer Werkstätte für behinderte Menschen zu arbeiten. Auch für das Personal ist es nicht einfach, Menschen mit diesen Erkrankungen adäquat einzugliedern. Damit für alle Beteiligten der Prozess Teilhabe am Arbeitsleben optimal gestaltet werden kann, hat die Bruder-Konrad-Werkstätte vor neun Jahren ein Konzept für neurologisch erkrankte Menschen erarbeitet und entwickelt dies permanent weiter.

 

Manfred Schmidt: Arbeit, Bildung und auch Therapie

Durch die Tätigkeiten in der Werkstätte kann sich der Werkstattbeschäftigte mit neurologischen Erkrankungen stabilisieren und Kompensationsstrategien für das Arbeitsleben sowie für den Alltag erlernen. Dadurch wird das Selbstwertgefühl gesteigert. Der Werkstattbeschäftigte erlebt wieder Wertschätzung. "Wir beginnen in der Regel mit einer strukturierten Tagesplanung, die Arbeit, Bildung und auch Therapien enthält", stellt Manfred Schmidt dar. "Die Therapien werden vom Arzt verordnet und durch externe Therapeuten in unserer Einrichtung durchgeführt. Häufig muss der Betroffene erst lernen, seine Leistungsfähigkeit richtig einzuschätzen."

Im Rahmen des Berufsbildungsbereiches und des Arbeitsbereiches der Werkstätte ist es auch ein Ziel, die Menschen mit Behinderung so zu fördern, dass sie einen Außenarbeitsplatz, einen Arbeitsplatz in einer Integrationsfirma oder eventuell einen Arbeitsplatz auf dem freien Arbeitsmarkt ausüben können. "Diese Möglichkeiten sind jedoch immer abhängig von der Schwere der Erkrankung", erklärt Schmidt. Wichtig sei es, beim Aufnahmegespräch auch die Transparenz und Durchlässigkeit der Werkstätte zu vermitteln. "Viele haben die Meinung, wenn ich einmal in einer Werkstätte arbeite, kann ich nicht mehr einer anderen Tätigkeit nachgehen", so Schmidt. Tatsächlich aber ist ein Arbeitsplatz in der Werkstätte für die meisten der Beschäftigten die einzige Möglichkeit der Teilhabe am Arbeitsleben.

Info:
Die Bruder-Konrad-Werkstätte in Mitterfels ist eine von acht Werkstätten der KJF-Werkstätten mit 211 Mitarbeitern, davon 181 mit Behinderung. Die Werkstätte bietet Arbeit und Bildung für Menschen mit Behinderung in den Bereichen: Montage, EDV-Arbeitsgruppe, Lager und Logistik, Technische Fertigung, Wäscherei, Küche/Hauswirtschaft, Haustechnik, Landwirtschaft und Bildungshaus (Außenstelle Hermannsberg/Wiesent).



Quelle: Christine Allgeyer, in: SR-Tagblatt vom 26. August 2013, Seite 13