Mit Kehrbesen und Kelle - Freiwillige helfen, die Hien-Sölde zu sanieren

Hien-Sölde Zugriffe: 8742
 Vorsichtig lockert Steffi Witt­mann mit einem kleinen Handbesen die Erde vom Bo­den. Millimeter für Millimeter, Zen­timeter für Zentimeter arbeitet sie sich in dem kleinen Raum kniend bedächtig bis zum festen, gestampf­ten Estrich vor. Die 19-Jährige ge­hört zu der Handvoll Freiwilliger, die an diesem Mittwochnachmittag bei der Sanierung der Hien-Sölde in Mitterfels mithelfen.

Vordringliche Aufgabe im Moment: die Freilegung des Lehm-Estrichs in diesem und einem weiteren Zimmer des Jahr­hunderte alten Gebäudes, das zu den allerersten Blockbauten weltweit gehört.

Die Hien-Sölde: erstes Anwesen in der Gegend von Mitterfels

"Jetzt bringen wir den Männern die Lampe, auf dass ihnen ein Licht aufgehe", scherzt Maria Birkeneder mit Elisabeth Vogl und greift be­herzt nach dem großen schwarzen Strahler. Vogl, Archäologin und Kunsthistorikerin, folgt der Vorsit­zenden des Freundeskreises Hien­Sölde mit einer Kabeltrommel. Die beiden Frauen haben den Strom des Nachbarn angezapft - mit Erlaub­nis, natürlich, um die Arbeiten im ältesten Mitterfelser Gebäude aus­zuleuchten. "Mein Vater hat schon als Kind zu mir gesagt, ich bin die Einzige, die man im Schuppen brau­chen kann", erklärt Birkeneder ihre praktische Art und stellt die Lampe in einen wenige Quadratmeter gro­ßen Raum, in dem zwei Männer Schutt vom Boden schaufeln.

Seit 1434 gibt es die Hien-Sölde, das erste landwirtschaftliche Anwesen im Bereich des heutigen Mitterfels und, zumindest das ist doku­mentiert, der älteste weitgehend er­haltene Blockbau in ganz Nieder­bayern. "Im Internet findet man un­ter dem Stichwort „ältester Block­bau der Welt“ eine Kapelle im Nor­den Skandinaviens, die dem Heili­gen Hendrik geweiht ist. Sie wird auf Anfang 1400 datiert. Davon ist die Hien-Sölde ja nicht weit weg", konstatiert Maria Birkeneder. Seit April arbeitet sie mit Mitgliedern des "Freundeskreises Historische Hien-Sölde Mitterfels" und zusam­men mit Archäologen an der Sanie­rung, unterstützt von interessierten freiwilligen Helfern wie Steffi.

„In diesen Aufschüttungen findet man eigentlich ziemlich viel"

"Ich wollte eigentlich Archäologie studieren", erklärt die Abiturientin ihr Interesse an den Arbeiten im alten Gemäuer. Inzwischen sei sie zwar davon abgekommen, doch das Faible fürs Alte und Altertümliche ist geblieben.

Und so schaufelt die junge Frau aus der Gemeinde Haibach das gelo­ckerte Erdreich ganz vorsichtig mit einer Kelle in einen bereitstehenden Eimer. Die Erde lässt sie durch die Hand rieseln, um nur ja kein Fund­stück zu übersehen.

"In diesen Aufschüttungen findet man eigentlich ziemlich viel", sagt Archäologin Vogl, zugleich Vorstandsmitglied im Förderverein. Sie arbeitet ehrenamtlich in ihrer Freizeit in der Hien-Sölde und un­terstützt mit ihrem fachlichen Wis­sen Kreisarchäologen Ludwig Hus­ty, der an diesem Tag auch vor Ort ist. Mit einer großen Schaufel ist er in dem anderen Zimmer damit be­schäftigt, die gröbste obere Schutt­schicht zu entfernen. "Das hier war früher Außenhereich", erklärt Hus­ty und hofft daher auf Abfälle und irgend welche Gegenstände, die im Lauf der Zeit hinter dem Haus im Boden versunken sind.

Im anderen Raum erklärt Vogl ge­rade den Helfern, wie sie bei der Arbeit zu Werke gehen müssen. Vor­sichtig, lautet die oberste Maxime. Und so wird Dr. Heidi Güldenhaupt sofort zurückgepfiffen, als sie auf den bereits freigelegten Estrich tre­ten will. Vogl zeigt, was schon ge­funden wurde. Etwa ein Weihwas­serkessel, ein Gerüstriegel und ziemlich viele Scherbenstücke, gla­siert ("dann sind sie zumeist aus dem 17. oder 18. Jahrhundert") oder unglasiert ("die könnten tatsächlich aus der Entstehungszeit des Hauses stammen").

Erste Erkenntnisse: das Bodenniveau war früher tiefer.

Der zehnjährige Matthias Kieser macht sich kurz darauf mit seiner Mutter Elfriede in einer Ecke des Raumes ans Werk und lockert wie neben ihm Steffi das Erdreich mit einem Besen auf. Schon nach weni­gen Minuten freut sich der Grund­schüler aus Hunderdorf. Er hat ei­nen Nagel gefunden. "Sehr schön", lobt Elisabeth Vogl und besieht sich das Fundstück näher. "Für uns ist jeder Fund gleich wichtig", erklärt sie und legt den Nagel zu den ande­ren Fundsachen in einen Eimer. Auch sie kniet sich wieder auf den Boden, die Knie auf eine Styroporplatte gestützt, und fährt mit den Arbeiten zur Bodenfreilegung fort. "Ich bin ja selber immer so ge­spannt, was wir finden", lacht die 51-Jährige .

Herausgefunden haben sie und die Helfer beispielsweise durch die Ent­deckung des Estrichs bereits, dass das Bodenniveau früher offenbar deutlich tiefer war als heute. Ein glücklicher Zufallstreffer. Real­schüler haben bei einem der immer wieder durchgeführten Schulpro­jekte beim Graben geholfen, und ei­ner Schülerin fiel auf, dass unter der Erde offenbar ein riesiger Stein lag. "Kein Stein, das war der Estrich, festgestampft und ziemlich hart", erklärt Vogl. Nun stehe ziemlich si­cher fest, dass das Bodenniveau an dieser Stelle niedriger lag als im 15. Jahrhundert. "Die Leute haben da­mals ja nicht in die Luft hineinge­baut."

Viele wollen immer noch, dass das "alte Zeug" weggerissen wird

Schülern und der Bevölkerung die Wichtigkeit der Arbeit in der Hien­-Sölde nahezubringen, ist ein Ziel des Freundeskreises. "Viele sind leider immer noch der Ansicht, dass das alte Zeug besser weggerissen ge­hört", bedauert Birkeneder. Wenn man aber dann erzähle, dass das die erste Ansiedlung hier in der Gegend gewesen sei, wenn man die heimat­geschichtliche Komponente ins Spiel bringe, interessierten sich schon mehr für die Hien-Sölde.

Mit den Schulprojekten schließt sich ein Kreis, der in der Vergangen­heit beginnt. Denn das einzige Mal, als die Hien-Sölde für kurze Zeit nicht landwirtschaftlich genutzt wurde, diente sie als erstes Schulge­bäude in Mitterfels. Volker Dier­gardt, der sich beim Förderverein vordringlich um die Finanzen küm­mert, kennt die Historie: "Nach der Säkularisation 1806, als die Pfarrge­meinde von Kreuzkirchen nach Mitterfels verlegt worden ist, kam auch die Schule hierher." Die Toch­ter es damaligen Besitzers der Hien-­Sölde war Lehrerin, so sei der Gedanke an eine Schule wohl entstan­den. 30 Jahre lang wurden in dem alten Gemäuer die Mitterfelser Kin­der unterrichtet.

So bald wie möglich soll die Hien­-Sölde im Übrigen auch jetzt wieder eine öffentliche Funktion überneh­men. Angedacht sind ein Kleine-Welt-­Laden sowie ein Begegnungsraum in der Hien-Sölde. "Und auch die Tou­rist-Information könnte hier hi­nein", sagt Birkeneder. Die zentrale Lage und der geschichtliche Hinter­grund prädestinierten das Haus in der Burgstraße geradezu dafür.

,, Vielleicht finden wir ja noch einen Schatz"

Zuvor sind allerdings noch viele Arbeitsstunden notwendig - und Geld. 600.000 Euro sind für die Re­novierungsarbeiten veranschlagt, 60 Prozent davon werden wohl bezu­schusst. "Leider haben wir momen­tan keinen Zugriff auf die zugesag­ten Mittel, weil ein Gutachten des Landesamtes für Denkmalschutz aussteht", bedauert Birkeneder. Aufgrund einer längeren Erkran­kung des zuständigen Fachmanns sei es zu Verzögerungen gekommen. "Wir können momentan nur selber Eigenleistungen erbringen, aber keine Aufträge erteilen, für die man Geld braucht." "Vielleicht finden wir ja noch einen Schatz", speku­liert Pfarrer Georg Hartlehnert, der ebenfalls auf einen Sprung vorbei­geschaut hat.

Bis es so weit ist, sind weitere Helfer wie Steffi und Matthias in den kommenden Wochen stets will­kommen. Birkeneder: "Es geht nicht darum, dass jemand rund um die Uhr arbeiten kann. Wir suchen Hel­fer, die stundenweise Zeit haben." Vielleicht hat dann der eine oder andere Glück wie Matthias, der gleich in der ersten halben Stunde eine uriglasierte Keramikscherbe findet. "Das ist was Altes", freut· sich Archäologin Vogl. Der bis dato spektakulärste Fund wurde übri­gens auf dem Dachboden aus neue­rer Zeit gemacht - eine mumifizierte Katze.


• Info

 

Wer sich für die Arbeiten in der Hien-Sölde interessiert und hel­fen möchte oder Mitglied beim Freundeskreis werden will, kann sich unter Telefon 09961/6555 bei -Maria Birkeneder melden.


Bericht und Bilder : Straubinger Tagblatt 18.6.2010 (tf)