Wer waren unsere Vorfahren, die Bajuwaren?

Geschichte des Bayer. Waldes Zugriffe: 31044
Die römische Provinz Rätien

Im Alpenvorland bis zur Donau lebten in der vorchristlichen Zeit die Volksgruppen  der Räter und der keltischen  Vindeliker. Weil sie und andere Stämme immer wieder über die Alpen  ins Römische Reich einfielen, zogen  Drusus und Tiberius 15 v. Chr. mit ihren Heeren über den Brennerpass und besetzten  das Gebiet nördlich der Alpen.

Unter den Kaisern Tiberius und Claudius (41 - 54 n.Chr.) entstand die  römische Provinz Rätien vom Bodensee bis zum Inn, von Nordtirol  bis zur Donau.

 

Diese Provinz  gehörte  450 Jahre zum Römischen Weltreich. Um das Jahr 100 n. Chr. waren hier 10 000 römische Soldaten aus dem ganzen Mittelmeerraum stationiert. Hauptstadt Rätiens wurde Augusta Vindelicorum (Augsburg). Das Gebiet nördlich der Donau wird in einer Mettener Chronik als  „Eremus nortwald“, der menschenleere Nordwald, bezeichnet. Mit dem Ende des Römischen Reiches wurden um 470  die letzten römischen Militärlager Quintanis (Künzing) und Castra Batava (Passau) geräumt. Es blieben aber Teile der römischen Herrschaftsschicht im Land. Karl Bosl spricht deshalb vom "mediterranen Substrat", das die Basis für die Bevölkerung des späteren Bayerns bildete. Im Verlauf des 5. nachchristlichen Jahrhunderts überschritten germanische Volksgruppen (Markomannen, Goten, Langobarden und viele andere) zunehmend die Donau oder wanderten von Westen her ein (Alemannen). Ein herausragender Stamm waren die Boier. Ihr  Name leitet sich ab vom Wort „Baio-varii“, das so viel  bedeutet, wie die „Männer aus Baia“. Aber wo lag dieses „Baia?  Nördlich des Böhmerwaldes, im böhmischen Becken, hauste der keltische Stamm der „Boier“, ihre Heimat hieß „Boio hemum“ (Heim der Boier, lateinisch dann Bohemia = Böhmen). Wahrscheinlich zogen sie durch die Further Senke in das von den Römern aufgegebene Gebiet südlich der Donau (Rätien), wobei nicht bekannt ist, ob das ganze Volk der Boier oder nur einzelne Gruppen sich an dieser Wanderung beteiligten.   Die romanisierte und keltische Urbevölkerung musste sich mit den Zuwanderern  oft auch kämpferisch auseinandersetzen,  verschmolzen aber letztendlich mit ihnen. Allmählich sind sie zu einem neuen  Stamm zusammengewachsen, zu den Bajuwaren oder Baiern. Diese  „Männer aus Baia“, könnten  der „Kern“ des Bajuwarenvolkes  gewesen sein.  Sie haben wohl entscheidend dazu beigetragen, dass sich  nun ein Stamm und auch wieder eine politische Herrschaft formte. Wenn wir zusammenfassen, dann  sind die Bajuwaren, unsere Vorfahren,  eine Mischung aus zahlreichen germanischen und keltischen Stämmen und den in diesem Gebiet mehrere hundert Jahre lebenden Römern aus dem gesamten Weltreich um das Mittelmeer.  Dazu kommen slawische Einwanderer, besonders an der nördlichen Landesgrenze. Die zahlreichen Einfälle von Hunnen, Avaren und Ungarn haben  sicher auch ihre Spuren hinterlassen. Regensburg galt lange Zeit als die Hauptstadt der Baiern und wurde in karolingischer Zeit zum Zentrum des ostfränkischen Reiches.

 



Wie lebten die Bajuwaren?

Die germanischen Stämme haben nichts aufgeschrieben. Aus archäologischen Funden wissen  wir aber, dass sie meist in kleinen Siedlungen von zehn bis zwanzig Holzhäusern lebten. Zu einem Hof  gehörten Wohngebäude, Scheunen, Backöfen, Eisenschmelzen  und  Vorratsräume. Die 6 m breiten und 12 bis 25 m langen Wohnbauten waren durch geflochtene Zwischenwände in zwei bis drei Räume für Mensch und Tier unterteilt. Größere Höfe hatten eigene Stallungen  für etwa  20  Rinder. Als Außenwände diente  meist Flechtwerk, das mit Lehm verschmiert wurde. Übrigens kommt unser Wort „Wand“ von „winden“, also von „flechten“. Der Fußboden war aus gestampftem Lehm. In der Mitte eines Raumes lag die offene Feuerstelle. Gedeckt waren die finsteren und rauchigen Häuser mit Stroh oder Schilf. Tische, Bänke, Stühle und Truhen bildeten die Einrichtung, geschlafen hat man auf einer Lagerstätte aus Stroh, Reisig oder getrocknetem Moos. Die Gehöfte  waren mit einer Hecke oder mit Flechtwerk eingefriedet. Neben Gemüse und   Obstbäumen  im Garten baute man auf den Feldern eine Mischung aus Roggen, Gerste und Hafer an, aber auch Flachs. Weil es eine Düngung kaum gab, ließ man abwechselnd die Hälfte der Felder als Brache liegen und nutzte diese als Viehweide. Als wichtigste Arbeitstiere galten Ochsen. Mit ihnen wurden die Felder bestellt und Holz aus den Wäldern transportiert. Neben Reitpferden und Rindern kannten die Bajuwaren noch Schweine, Schafe, Ziegen, Gänse, Enten und Hühner. Ständiger Begleiter waren Jagd- und Hofhunde. Es sind neun verschiedene Rassen bekannt, die die Bajuwaren züchteten. Für die Jagd auf Kraniche, Gänse und Enten richtete man als besonderen Luxus auch Habichte oder Falken ab. In freier Wildbahn gab es neben Elchen, Hirschen, Auerochsen und Rehen auch Wölfe, Bären, Wildschweine, Luchse und Biber. Wie unsere Vorfahren aussahen, wie sie sich kleideten, welche Waffen und welchen Schmuck sie trugen wissen wir aus zahlreichen Gräberfunden. Dabei gab es Unterschiede zwischen Adeligen, freien Bauern und unfreien Knechten.

 

Die Agilolfinger

Mit dem Abzug der Römer verschwand zunächst die spätrömische Staatsreligion, das Christentum. Die Bajuwaren des 5. und 6. Jhh. waren weitgehend Heiden. Sie glaubten an ihre germanischen Götter Wodan, Donar und an das Heldenparadies Walhall. Erst ab dem 7. Jhh. nahmen die Einflüsse des Christentums wieder zu. Die ersten Herrscher der Bajuwaren waren die Agilolfinger, die das damalige Bayern 300 Jahre regierten. Herzog Odilo und sein Sohn  Tassilo III. (bis 788) bemühten sich, Bayern zu einem fortschrittlichen, kultivierten und christlichen Land zu machen. Neben wichtigen Gesetzesversammlungen gründeten sie zusammen mit Bonifatius und anderen Bischöfen 4 Bistümer (Regensburg, Passau, Freising  und Salzburg), zahlreiche Klöster, darunter St. Emmeram in Regensburg, Niedermünster in Passau, Chammünster, Metten, Niederaltaich,  Tegernsee und noch viele andere. Damals waren die Klöster nicht nur Orte religiösen Lebens sondern auch kultureller Mittelpunkt des Landes, wo man Kunst und Bildung  pflegte. Tassilo wurde von seinem Vetter Karl dem Großen wegen mangelnder Bündnistreue abgesetzt und mit seiner Familie zeitlebens in ein Kloster verbannt. Bayern gehörte dann (seit 788)  zum Frankenreich. Im Kirchenschatz des Benediktinerstiftes Kremsmünster  befindet sich heute der wohl berühmteste Kelch des frühen Mittelalters: Der Tassilokelch. Papst Benedikt XVI. benutzte ihn bei seinem Besuch in Mariazell/Österreich  2007 als Messkelch.

 

Bericht und Bilder : H. Aschenbrenner