Im Austrag - Wenn in Altbayern ein Hof übergeben wurde

Geschichte des Bayer. Waldes Zugriffe: 20321


Mit einem „Im Gottes Namen“ überschritt die neue Bäuerin die Schwelle ihres Heims,  und eine neue Bauerngeneration nahm ihren Anfang. Es war auf jeden Fall ein gewaltiges Umdenken auf einem Bauernhof, wenn eine junge Generation nachrückte und eingefahrene Arbeitsabläufe und Bräuche sich änderten, ja ändern mussten. Es traten nämlich auch für die meist jüngeren Geschwister Änderungen ein. Bei ihrer Verehelichung stand ihnen ein Heiratsgut zu, und der junge Bauer musste ihnen einen ortsüblichen Kammerwagen von den örtlichen Handwerkern mit  Möbeln, Geschirr und Wäsche anfertigen lassen und die „Gagelhenn“ (Hochzeitsfrühstück) ausrichten. Schwestern hatten Anspruch auf eine junge Milchkuh, abtretende Brüder auf einen  einjährigen „Heißen“.

 

Dieses Ausbezahlen der Geschwister wurde meistens mit der Mitgift der neuen Bäuerin beglichen. Konnten jüngere Geschwister nirgends einheiraten, zogen sie in das Inhäusl oder bekamen eine Kammer auf dem Hof. Es war zwar ein sozialer Abstieg, aber immer noch besser, als sich als Knecht oder Dirn verdingen zu müssen.

Kernstück einer Übergabe war aber die Altersversorgung der Übergeber, also der „Leibtum“. Die Altbauern setzten sich zwar zur Ruhe, was aber nicht hieß, dass sie untätig sein wollten. In größeren Höfen  bekamen sie das Wohnrecht im „Ausnahmehäusl“, das Futter für die Austragskuh, die „Point“ (dem Hof zunächst gelegene Wiese) und durften ein Schwein, Hühner und Gänse halten. Auf einem guten Feld hatte ihnen der Hofbesitzer eine ausbedungene Anzahl von „Bifingen“ mit Erdäpfeln und Krauthäupl anzubauen.

Diese Verhältnisse erinnern an eine Zeit (um 1900), in der der Bauer zum Großteil sich noch selbst versorgte, sowohl mit Nahrungsmitteln als auch mit Kleidern. Jeder Müller konnte Weizen auch zu Grieß vermahlen,  und bei den alten Steinmühlen bestanden noch die „Graupenstampfen“. Als Lebensmittel brauchten die Bauern  also nur Zucker und Salz zukaufen, an Kleidungsstücken nur das bessere Sonntagsgewand  und Schuhwerk. Wie die Alten im Leibtum versorgt wurden, war natürlich in jedem Hof anders.

In einem  Fall hatte der Vater Anspruch auf jährlich 1 Paar Stiefel, 2 Hemden und alle 2 Jahre eine tucherne Jacke und Hose. Die Mutter wollte 1 Paar Schuhe und Pantoffel, 2 Hemden, 2 Schürzen und alle 3 Jahre einen Rock und einen Bettüberzug. Noch wichtiger als das Gewand war die Verpflegung. So verlangten Austrägler z. B. täglich einen Weidling Milch, wöchentlich 1 Pfund Schmalz und 15 Eier, oder alle Eier, die die Hennen am Samstag oder Montag legten. An Samstagen wurden  einmal  5 Nudeln ausbedungen und alle heilige Zeiten ein Laibl weißes Brot. Selbstverständlich wurde auch die Pflege im Krankheitsfall geregelt.

Während also der größere Hof für die Altbauern im Hofraum ein Austragshäusl  mit Wohnstube, Kammer, Flöz, Stall und Stadel hatte, mussten die Ausnehmer im Kleinbauernhaus mit einem einzigen Stüberl vorlieb nehmen. Es war eng drin, aber die alten Leute hielten sich, solange es ihre Gesundheit erlaubte, außerhalb auf.

Die Großmutter kümmerte sich um die Kinder, und der Großvater hackte am Hackstock Astwerk, oder er dengelte  am Abend die Sense. Gelegentlich saß er auch auf der „Heinzelbank“  und polierte Rechenstangen und Gabelstiele, oder er machte Rechen oder band Besen.  Zu solchen Arbeiten hatte der Kleinbauer schlecht Zeit, weil er tagsüber noch einen Beruf, zum Beispiel als Mauerer,  ausübte. Ein richtiges Ausgedinge konnte sich ein Kleinbauer nicht leisten, deshalb aßen Junge und Alte zu den Hauptmahlzeiten an einem Tisch. Zum Rasten und für die Nacht reichte das kleine Stüberl aus.

In brieflich vereinbarten Übernahmeverträgen wurde all das  geregelt, um später keine “blauen Wunder” zu erleben. Ob sie dennoch alles bekommen haben, die Alten im Austrag, ist eine andere Frage.


Im Gegensatz zu heute aber gab es jedoch einen Zusammenhalt in der Familie, wo jung und alt beisammen lebten, wo einer den anderen respektierte, schätzte und auch brauchte.


 

 


Dieser Bericht und die Bilder wurden freundlicherweise von Dr. Hans Aschenbrenner bereitgestellt. Der Bericht war abgedruckt im Straubinger Tagblatt vom 21.02.2010


Abbildungen :